RE: Vorderdeck - 10

"Allerdings.." Nickte Viktoria missbilligend. "Wenn man sich nur mal vorstellt, wie viel Geld in das Militär gepumpt wird.. Da wäre es nicht nur kostengünstiger alte Kulturen aufzuschlüsseln. Man denke nur an das ganze Wissen, mit dem sich die immer gleichen Fehler beheben lassen könnten."
Viktoria fiel nichts anderes mehr ein als mit den Schultern zu zucken. Es half ja doch nichts. Es war immer die gleiche Jammer.
Stattdessen nahm sie wie auf Befehl noch ein paar mehr Schnappschüsse von dem sich näherndem Ufer und liess sich von Mercedes Kommentare wieder aufmuntern. "Verrückt oder? Wenn man bedenkt, wie viele Jahrhunderte er noch nicht entdeckt worden ist. Dabei sind wir doch gar nicht so weit von der Zivilisation entfernt. Das hätte doch jemand schon längst bemerken müssen!"

"Es liegt an diesem Dschungel." Dr. Buenos Augen wurden schmaler, und in ihre Augen trat ein Ausdruck von Abneigung, beinahe schon Feindseligkeit, während ihr Blick über das Grün glitt. "Der Großteil davon ist kaum erforscht, und jetzt, wo diese Umweltschutzrichtlinien die ganze Bucht umfassen, wird sich daran auch so rasch nichts ändern. Wenn es nach den ganz Rabiaten ginge, dürfte hier kein Mensch einen Fuß hineinsetzen." Sie rümpfte die Nase. "Und sie sollten einmal die Satellitenbilder und Luftaufnahmen dieses Gebiets sehen. Darauf erkennt man nichts! Nichts außer Bäumen! Und ab und an ein bisschen Fluss."
Sie schüttelte den Kopf. Da hatten es andere Archäologen soviel leichter. Ein paar Luftbilder analysieren, und schon ahnten sie zumindest, wo sie mit dem Graben anfangen sollten.

"Nun, in meiner Arbeitsgruppe haben wir ein Raster dieses Dschungels erstellt. Es ist natürlich viel zu groß für so ein kleines Team, aber wenn wir entsprechende Landmarker für die Hinweise bekommen, können wir das Gebiet demgemäß verkleinern und gezielt nach dem Tempel suchen." Oder zumindest Flächen streichen können. Und trotz dieser ganzen Vorbereitungen, von denen Mercedes Bueno natürlich genauso gut, wenn nicht besser Bescheid wusste, hing der Erfolg des Experimentes ganz entschieden an einem Faktor.
"Wir brauchen einfach die Landmarker." Seufzte Viktoria. "Meinen Sie, wir sollten die Einwohner dazu befragen?"

"Zumindest wäre es einen Versuch wert." Dr. Bueno nickte und klammerte sich mit einer Hand an die Reling. "Senorita Sanchez kommt hier aus der Gegend, aus einem Dorf. Sie konnte mir allerdings keine Hinweise geben; allerdings meinte sie selbst, sie hätte nicht besonders viel in der Umgebung aufmerksam betrachtet. Es gibt dort aber doch bestimmt auch Leute, die öfter Touren durch den Dschungel machen. Wenn wir das Lager erst einmal aufgeschlagen haben, sollten wir also einen Besuch im Dorf vornehmen."
So langsam formten die Tätigkeiten der nächsten 24 Stunden eine Ablaufplan in Dr. Buenos Kopf, und das beruhigte sie sehr. Einen Plan zu haben, war gut. Es machte das Leben geordneter.

Senorita Sanchez hatte sich nicht umgesehen? Also eine Herzblut-Archäologin war nicht in ihr versteckt. Sie, Viktoria Klein, kannte jeden Hügel, ja jeden Maulwurfhügel in ihrer Nachbarschaft. Und sie war sich sicher, dass dort kein einziger Schatz mehr begraben war. Sie lächelte leicht, als sie an ihre alten Kinderschätze dachte. Und wie entsetzt ihre Mutter war, als sie alte Hamsterknochen mit nach Hause brachte und darauf bestand, dass diese von einem Dinosaurier kommen mussten.
Viktoria schüttelte leicht lächelnd den Kopf, ehe sie sich wieder ernsthaft dem Thema zuwandte: "Meinen Sie, wir sollten der Bevölkerung gleich offen kund tun, was wir erforschen. Oder dass wir überhaupt Forscher sind?" Versteckspielchen fand sie zwar ein wenig albern, aber.. "Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass Einheimische vor allem ihre Traditionen und Schätze besonders dann loben, wenn man dafür Eintritt zahlen muss." Kritisch verzog Viktoria ihre Augenbrauen.

"Nur, wir werden uns kaum nach Wegmarken zu einem Tempel erkundigen können, wenn wir nicht zugeben, dass wir nach einem Tempel suchen", erwiderte Dr. Bueno leicht irritiert. Natürlich hatte Senorita Klein nicht vollkommen unrecht: Sobald sie ihre Absichten öffentlich machten, öffneten sie natürlich auch all jenen Tür und Tor, die hofften, mit ein paar abenteuerlichen Geschichten ein paar schnelle Dollar zu verdienen. Andererseits waren es gerade die halbwahren Geschichten, die oft in ihrem Kern einen Funken Wahrheit enthielten. Sie musste nur entschlüsseln, wo dieser Funke sprühte.
Sie lächelte schmal. "Aber was für einen Tempel wir suchen, sollten wir nicht unbedingt erwähnen. Es könnte - falsch verstanden werden."