RE: Haus der Verwalters - 3

"Nein, das hole ich ein anderes Mal." So lange musste sein Fahrrad eben mit den alten Sachen auskommen, war nur zu hoffen, dass nicht einer der Reifen platzte.
Umständlich verschloss Scott den Rucksack auf seinem Rücken wieder und blickte etwas unentschlossen auf sein Fahrrad.
"Hast du die Genehmigung gleich hier oder soll ich sie mit meinem Päkchen zusammen abholen?"
Obwohl es ihm jetzt schon lieber wäre. Sonst würde Garcia wohl nur auf die Idee kommen, für den Druck auch noch Geld zu verlangen. Oder der Drucker wäre kaputt gegangen und man musste auf teure, oh sehr teure Ersatzteile warten....
Belustigt wartete Scott Garcias Antwort ab.

"Die mach ich dann fertig", antwortete Garcia rasch und überging damit seine eigene Zerknirschung. Zu dumm. Ein paar Wochen später, und er hätte ihm noch mal mindestens fünfzig abknüpfen können, weil er ihm die Papiere nicht vorzeigen konnte. Tja, jetzt musste er sich wohl doch nachher an eine Bescheinigung machen.
Beinahe wollte er ihn schon wegschicken, als ihm auffiel, dass das vielleicht eine Spur zu auffällig wirken könnte. Es war ihm zwar schnuppe, ob der Typ sein Spiel durchschaute, aber wer wusste schon, wozu's gut war, ein paar Daten zu haben?
"Brauch ich nur deine Daten für", brummte er und wandte sich ab, um einige Schritte zurück zum Haus zu humpeln und sich, falls Scott ihm nicht eh folgte, auffordernd nach ihm umzusehen. Konnte ja keiner erwarten, dass er was zu schreiben dabei hätte!

Scott grinste, jaa.. Das war typisch südamerikanisch. Das Geld konnten sie sofort abknöpfen, aber die Leistung kam erst viel viel später. "Alles klar." Nickte er.
Er warf seinem Fahrrad noch einen Blick zu und stiefelte dann Garcia hinterher, als sich dieser in Bewegung setzte.
Wäre ja auch zu komisch gewesen, wenn er seinen Ausweis bräuchte, um das Päkchen abzuholen, aber nicht um so einen äußerst wichtigen Schein ausgestellt zu bekommen. Scott verkniff sich ein weiteres Grinsen.

Garcia stieß die Tür auf und betrat seinen kleinen Flur, in dem um diese Zeit wenigstens die Luft noch nicht zu schlimm stand. Nur ein paar Fliegen erinnerten ihn daran, dass er endlich das Loch flicken musste, das im Insektenschutzgitter vor der Fenster klaffte.
So, was nahm er jetzt.. ah, das Klemmbrett. Da hingen doch auch sicher irgendwelche Seiten drin, die keine Sau je wieder bräuchte. Garcia langte zum Tischchen, fegte bei seiner Bewegung einen Schlüsselbund herunter, das zu irgendwelchen Vorhängeschlössern im Unterstand gehörte, und stieß einen Fluch aus. Dann klemmte er sich wieder den Stock unter den Arm und lehnte das Klemmbrett gegen die Wand, um eine bessere Unterlage zu haben als das überladene Tischchen.
"Also, Name?"

Scott trat hinter Garcia zumindest einen Schritt in das Haus hinein und musste erstmal ein wenig zwinkern. Die grelle Sonne macht jedes etwas dunkleres Zimmer zu einer Herausforderung. Nur mühsam konnte er erkennen, dass er anscheinend in einem Flur stand. Mit einem Tischchen von dem man anscheinend gern Schlüssel herunterjagte.
Scott nahm mal wieder sein Cap ab, um sich genüßlich am Hinterkopf zu kratzen. "Scott Mitchell. Doppel t, doppel l." Ohje, wie vermisste er gerade den Lieblingsspruch eines guten Freundes in den späten Stunden nach einer duchzechten Nacht: 'Ein doppelter Scotch.. bitte.'

Der Stift, der an einem Band vom Klemmbrett baumelte, schrieb erst beim zweiten Anlauf und nachdem Garcia wütende Kringel auf die Rückseite eines eilig umgedrehten Blattes gemalt hatte. Es war nicht so leicht, an der Wand zu schreibene und dabei den Stock unter dem Ellbogen geklemmt zu behalten, und Garcia wünschte sich, er hätte ihn beiseite gelegt.
"Scott Mitt-chell", sprach er halblaut mit, während er die Buchstaben aufs Papier drückte. Doppel-t, Doppel-l, wie er gesagt hatte. "Wohnt bei Miss Ru-by, A-tem-po."
So, was konnte noch in so einen Wisch reingehören? Geburtsdatum kam doch immer gut.
"Geboren?"

Scott setzte sich die Kappe wieder auf und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen, während er Garcia bei seinen Kritzeleien zusah. So wollte er seinen Lebensabend jedenfalls nicht verbringen. Aber war ja auch nicht sein Bier.
"17. Juli 1978, Krebs." Grinste er, wobei ihm mal eine Freundin erzählte, dass er überhaupt kein echter Krebs sei, da er überhaupt keine Sicherheiten hätte und erst recht nicht launisch sei.. Oder irgendwie sowas.
"Sind Kartenspiele und Lagerfeuer eigentlich auch verboten?" Fragte er aus dem Nichts heraus.

Schnaubend verdrehte Garcia die Augen. Krebs.. Hatte er ihn etwa nach so einem Astromist gefragt? Glaubte er denn an sowas? Nur kleine Kinder und dumme Gänse glaubten doch, dass zufällige Konstellationen von Gasriesen und Galaxie-Müll dazu führte, dass sich Menschen in die eine oder andere Art entwickelten. Wenn man ihn fragte: Die Welt war doch eh nicht mehr als ein großer, einst dampfender Haufen Scheiße, und dass der Rand angetrocknet und fest genug geworden war, dass die Menschen darauf leben konnten, hielt den Gestank mühsam drinnen.
"Was soll an Kartenspielen verboten sein?" Er schrieb die Zahlen auf, sogar in der richtigen Reihenfolge, ehe er Scott wieder ansah. "Welche Marke ist das Rad?"
Vielleicht konnte er so herausbekommen, wie wertvoll das war. Sollte der Typ es hier mal 'vergessen' oder in Zahlung geben müssen..

"In manchen Ländern zählt das als Glücksspiel und ich will mich ja nicht strafbar machen." Leichtfertig grinste Scott Garcia an. Und bisher hörte sich die Antwort noch nicht nach einem klaren Nein an. Vielleicht sollte er Garcia um eine schriftliche Bestätigung bitten.
"Nun, die Marke des Fahrrads hängt ganz davon ab, welchen Teil man fragt. Das ist wie bei einer durch Schönheitsoperationen gepimpten Frau, man wird ihr genaues Alter niemals wissen, nur von dem Grundgestell. Und das von meinem Fahrrad heißt Cheetah."
Wobei der Name keineswegs Programm war.

Er grinste sehr, sehr schmal, denn Garcia konnte sich nicht gegen den Eindruck wehren, dass Senor Mitchell hier ihn ordentlich verarschen wollte! "Dann spielen die das in den anderen Ländern falsch, wenn's da was mit Glück zu tun hat."
Kartenspiele verbieten.. eigentlich gar keine schlechte Idee, nur wie sollte er sowas je kontrollieren? Früher hatte er mal dabei geholfen, einen illegalen Spielclub auszuhebeln, aber da ging es wirklich nicht mehr um Glücksspiel. Das hätte vorausgesetzt, dass man mit etwas Glück auch mal hätte gewinnen können.
"Und wenn du den Wald anzündest, bind ich dich an einen Baum."
Waldbrand auslösen, das war bestimmt mindestens mit Todessttrafe belegt - auch, wenn's die nicht gab. Aber was ein Brand in einem Naturschutzgebiet wie dem hier auslösen würde, war nicht von schlechten Eltern.
Stirnrunzelnd blickte Garcia auf das "Schieta"-Gekritzel auf seinem Stück Papier. Wie sollte er das denn herausfinden, wenn das Ding insgesamt zusammengebaut war? Mist, verfluchter.
"Aha", brummte er kurzangebunden. "Beruf?"
Das war wohl wichtiger. Da konnte er herausfinden, wieviel er ihm ungefähr abknöpfen konnte. Der wohnte doch sicher nicht beruflich bei Miss Ruby!

Das klang irgendwie nicht danach, als ob man dazu eine Genehmigung bräuchte. Obwohl war Poker eigentlich ein Glücksspiel? Oder ging es bei den genehmigungspflichtigen Kartenspielen nur darum, ob sie Geldspiele waren? Wie auch immer, Garcia schien kein Geld dafür zu wollen. Allerhöchstens sein Leben. Und er hatte nicht vor einen Wald abzubrennen.
"Beruf.." Jetzt war er doch etwas aus dem Konzept gebracht. "Zur Zeit helfe ich bei Miss Ruby aus." Scott zuckte mit den Schultern, ein Beruf war das allerdings nicht. Allenfalls ein Job. Sein wahrer Ruf war es die Welt zu entdecken. Aber das klang ihm selbst auf der Zunge viel zu kitschig.

"Du bist eine Aushilfe?" Enttäuschung lag in Garcias Blick. Was konnte Miss Ruby schon zahlen? In einem Kaff wie Atempo war doch kein anständiger Schnitt zu machen. Da kamen doch höchstens ein paar Dollar zusammen.
Garcias Hoffnung auf einen kleinen Goldesel oder wenigstens ein Goldschaf schmolz zusammen. Eine Aushilfe. Welcher Idiot ließ sich denn in Atempo zur Aushilfe machen!? Gut, ein Idiot, der mit dem Rad durch den Dschungel fuhr. Hätte er auch gleich drauf kommen können!
Er ließ das Klemmbrett sinken. Da machte die ganze Mühe ja eigentlich keinen Sinn. Er blickte kurz auf seinen Zettel. Na, und daraus konnte er doch sicher schon irgendeinen Wisch bauen.

"Naja, so würde ich mich nicht gerade definieren. Aber das ist zur Zeit meine Einnahmensquelle, ja."
Scott grinste Garcia unverblümt an. Diese Reaktion kannte er jedenfalls schon. Beim letzten Mal hatte er Müll aus Straßengräben herausgeholt. Das war ein schweißtreibender, rückenbelastender, dreckiger Job. Kein Wunder, dass dieser oft für Sozialdienststundenableistende ausgesucht wurde. Nicht viele machten das über längere Zeit freiwillig.
Nein, da bevorzugte er es doch in einem Naturpark Bäume umzupflanzen. Der war körperlich zwar genauso anstrengend, aber immerhin tat man was aktiv mit der Natur für die Natur.

"So einer biste also." Garcia fand langsam zu seiner Wenigsilbigkeit zurück. Auf eine Aushilfe musste er wirklich keine kostbare Zeit und noch kostbareren Atem verschwenden. Von dem einen hatte er hier zwar ebenso genug wie von dem anderen, was aber kein Grund war, sich gleich zu verausgaben. Nicht für einen, der von der Hand in den Mund lebte und als Aushilfe arbeitete. Ehrlich, das war doch höchstens was für einen Teenager, der sich Taschengeld dazuverdienen wollte!
Etwas unbeholfen zupfte er das Blatt Papier aus der Klemme. "Mehr brauch ich nicht", knurrte er abweisend und deutete mit dem Kinn in Scotts Richtung - schließlich war da die Tür.

So einer? Hatte Garcia gerade eine Schublade für ihn gefunden? Die würde er ja gerne mal sehen und auskundschaften. Bestimmt ließe sich da viel interessantes entdecken. Vielleicht sogar viele andere Menschen die auch so welche waren. Auch die würde er gerne kennenlernen. Man hatte sich sicherlich einiges zu erzählen und noch mehr zu unternehmen.
"Vielleicht." Gab er als Antwort ungetrübt zurück und folgte Garcias nicht unaufdringlichen Hinweis, indem er einen Schritt nach draußen trat.
"Und der.." Fetzen, Wisch, Klopapierersatz. "Schrieb ist wann fertig?"