RE: Eloy di Campis Hütte - 2

Neugierig hörte er dem etwas älteren Mann zu, der schon einiges mehr erlebt hatte als er selbst. Und jetzt hier gelandet war und sehr entspannt und abgeklärt wirkte. Mit sich im Reinen irgendwie. Er wünschte sich, dass er ein bisschen mehr so sein könnte. Manchmal, ganz selten, im Tempel, bekam er eine Ahnung, wie es sein musste, so zu sein. Aber das hielt leider nie lange an.

Das mit dem Schwimmbad hingegen war lustig. Miguel lachte ein bisschen, als Eloy das erwähnte. "Was hast du gegen Salzwasser? Wer braucht ein Schwimmbad, wenn er das Meer vor der Tür hat?" Er gestikulierte Richtung Wasser. "Und der Fluss ist ja auch nicht weit." Er hatte ja wohl kaum Angst vor dem was noch so in den Gewässern rumschwamm, oder? Miguel registrierte auch sehr wohl, was Eloy nicht erwähnte. Das, was er vermutlich am meisten vermissen würde: Freunde, die Menschen um einen herum, mit denen man sich wohlfühlte. Aber vielleicht hatte Eloy die gar nicht gehabt.

"Es brennt nicht so in den Augen", erwiderte Eloy fast etwas peinlich berührt. Brennen in den Augen - das war ja eigentlich eine Antwort für kleine Mädchen. "Außerdem konnte man besser Bahnen zählen im Schwimmbad." Ungefährlich war es darüber hinaus auch; verließen einen die Kräfte, konnte man nicht ins Meer herausgezogen werden und elendig ertrinken; man begegnete keinen Tieren, und man wurde auch nicht von im Wasser treibenden Ästen gerämmt, die die Strömung mit sich trug. Allerdings hatte er sich mit dem Augenbrennen schon eine solche Blöße gegeben, dass er jetzt dieses Argument nicht auch noch bringen wollte.
"Es ist einfach etwas Anderes", grinste er verlegen. "Wenn du mal in eine Stadt mit Schwimmbad kommst, wirst du verstehen, was ich meine. - Oh, und da fällt mir noch etwas ein, was ich hier vermissen: vollkommen ungesundes Fast Food." Er lachte. "Nach dem Schwimmen gibt's nichts Besseres. Fettig, viel zu heiß oder nur noch lauwarm und gar nicht mal so lecker."

Miguel hörte sich Eloys Argumente an und sah auch dessen Verlegenheit. Er lächelte schief. "All die Jahre in der Stadt haben also doch ihre Spuren hinterlassen..." Miguel liebte das Meer. Nicht nur ernährte es ihn, er mochte es auch zu schwimmen, zu tauchen oder einfach am Strand zu sitzen, und dem Rauschen zuzuhören und in die Weite zu starren. Alles Dinge, für die ein Schwimmbad nur beschränkt attraktiv war. Der Fluss galt tatsächlich als gefährlicher, denn neben Alligatoren gab es dort auch die legendäre Riesenschlange Anakonda, die durchaus in der Lage war, einen Menschen so zu umschlingen, dass er unterging und ertrank. "Ich gehe nie in den Fluss, aber das Meer... ich würde es nie hergeben für ein Schwimmbad."

Eloys Erklärung zum Thema Fastfood quittierte Miguel mit einem herzhaften Lachen. "Eindeutig etwas, das hier fehlt! Warum eröffnest du sowas nicht? Ich bin sicher, das käme gut an. Fisch und Chips und so", er grinste und beobachtete Eloys Fortschritt mit dem Ausnehmen seines Fangs. "Ich beliefere dich gerne... wenn ich dann wieder was fange." Mit einem Seufzen sah er Richtung Hafen. "Ich glaube, ich lass es für heute, es ist schon viel zu spät. Morgen..."

Eloy stimmte in Miguels Lachen ein. Fisch und Chips - das war tatsächlich eine richtige Marktlücke hier. Aber andererseits... "Dafür koche ich dann doch zu gut." Er grinste breit. Den guten Fisch zu frittieren und dabei jeden Eigengeschmack abtöten, um ihn durch pures Fett zu ersetzen.. das regte seinen Appetit nicht gerade an. Warum sich auch mit dem Essen abmühen, wenn es hinterher dann nicht einmal schmeckte?
"Und am Ende erteilt Miss Ruby mir Hausverbot, wenn ich ihr hier gastronomische Konkurrenz mache." Gut, das El Rubí war kein wirkliches Lokal, aber trotzdem. "Den einzigen Ort verlieren, an dem es ein kühles Bier gibt? Lieber nicht." Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. Die Vorstellung hatte natürlich was. Er könnte sich dann McEloy's nennen. Oder Campi-King. Und überhöhte Preise von denen verlangen, die ihm die Rohstoffe lieferte.

Miguel hatte noch nie das Vergnügen gehabt, Eloys Kochkünste zu testen. Generell kamen in den Genuss vermutlich nicht soviele, zumindest hatte der Städter bei ihm ein bisschen das Image eines Eigenbrötlers. Freundlich und zugänglich, aber auch nicht zu sehr. Er grinste. "Du musst es ja nicht selber essen, machen die in der Stadt bestimmt auch nicht..."

El Rubi, naja. Miguel zuckte mit den Schultern. "Ach, ein bisschen Konkurrenz würde ihr vielleicht ganz gut tun. Und nen zusätzlichen Kühlschrank für eigenes kühles Bier könntest du dir bestimmt auch noch leisten." Auf der anderen Seite: Wozu arbeiten, wenn es nicht nötig war? Ein bisschen beneidete der junge Fischer den Städter um sein lockeres Leben. Er selbst hatte zwischen Fischen und Tempelpflichten eigentlich fast immer zu tun, manchmal sogar richtig viel wie in den nächsten Tagen.

"Ich müsste es aber riechen, und allein das würde mir den Genuss am Essen sicher gründlich vermiesen." Allein beim Gedanken daran musste sich Eloy schütteln. "Außerdem", grinste er, "würde mir die Fast-Food-Bude hier überhaupt nichts bringen, solange es nicht auch ein Schwimmbad gibt. Sonst essen sie alle ja doch lieber zuhause." Er könnte es ihnen jedenfalls nicht verdenken. So ganz ohne das ermattende Gefühl, das nach einem ordentlichen Bahnenziehen im Schwimmbad im Körper zurückblieb, fand er Fast Food nicht sonderlich ansprechend. Und schlecht für die Zähne war's meist auch, weil gesüßte Getränke dazugehörten und nur wenige danach zum Zähneputzen gingen.
"Mir würde dann die Gesellschaft fehlen. Auch bei eigenem Kühlschrank und Bier." Denn so, wie er die Einwohner von Atempo kannten, würden die selbst dann noch ins El Rubí gehen - weil sie es immer schon so gemacht hatten, und wenn man etwas immer schon so gemacht hatte, konnte das ja nicht falsch sein!

Miguel verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln, angesichts der ausführlichen Erklärungen, warum eine Fast Food Bude wirklich nicht in Frage kam. Er zuckte mit den Schultern. "War nur so ne Idee... gibt bestimmt noch eine Menge andere Marktlücken hier, verglichen mit der Stadt." Er strich sich etwas abwesend durch seine verstrubbelten Haare. Seine Gedanken waren schon weiter gewandert, nämlich was er jetzt alles tun könnte, um den Einsatz beim Tempel vorzubereiten, wo er nun beschlossen hatte, nicht fischen zu gehen. Genug zu tun gab es dafür nämlich immer.

Er sah zu Eloy. "Na gut, dann wünsche ich für später guten Appetit und ziehe weiter." Miguel nickte ihm zu, warf einen letzten Blick auf die ausgenommenen Fische, und ging dann in dieselbe Richtung zurück, aus der er gekommen war.

tbc ???

"Wenn man sich auf die Suche nach welchen machen möchte, findet man sie bestimmt." Eloy nickte und bemühte sich, inbesondere dank seines Altersfortschritts weise für den Jüngeren zu klingen. Nicht, dass es ihm besonders viel ausgemacht hätte, wenn Miguel ihn für einen schläfrigen, sabbernden Tattergreis gehalten hätte, aber das Gegenteil bevorzugte er dann doch, zumal ihm der Junge sympathisch war. "Aber es ist nicht der wirtschaftliche Profit, der Atempo reich macht."
Er bedankte sich bei Miguel und sah ihm kurz nach, wie er wieder fortging. Ein leichtes Schmunzeln schlich sich zwischen Eloys Drei-Tage-Bart. Er hätte ja schon nach den ersten Sätzen wetten können, dass Miguel heute nicht mehr hinausfuhr. Wenn er daran dachte, wie er in Miguels Alter gewesen war.. einen Tag wie heute mit gepflegtem Nichtstun zu verschwenden war immer sein größter Wunsch gewesen, und was in Primera einem großen Zauber gleich kam, war ihr das einfachste auf der Welt. Atempo war zum Nichtstun geschaffen.
Aber nicht jetzt, rief er sich innerlich zur Ordnung. Die Fische würden sonst noch schlecht werden. Also machte er sich daran, seine Arbeit mit routinierten, ruhigen Bewegungen zu beenden, ohne in Hast zu verfallen, aber auch ohne unnötig Zeit zu verplempern.
Schließlich brachte er die fertigen Fische ins Haus, wusch sich erst die Hände und dann Sand und Salz vom Strand von der Haut, ehe er das Haus wieder verließ.
Ein kleiner Spaziergang, hatte er beschlossen, konnte nicht schaden. Zumal es auch langsam an der Zeit sein musste für die Schule. Er könnte ja wenigstens einen Blick...

tbc: Dorfwege